Die Krähe

Ich war auf dem Weg zur Arbeit. Wie immer fuhr ich mit dem Rad die Seesener Straße lang, als ich hinter mir ein Geräusch hörte, das schnell näher kam. Als ich mich umdrehte, schaute ich in die schwarz-blassen Augen einer Nebelkrähe, die ihre kralligen Füße zur Attacke gespreizt hatte, um sie sogleich in meine Mütze zu schlagen. Da die Mütze eigentlich eine Nummer zu klein ist, vermochte der Vogel mir die Haube nicht vom Schädel zu reißen, sodass das Tier ohne Textil im grauen Berliner Himmel entschwand.

Beim Berliner Naturschutzbund wusste man die animalische Attacke nicht zu deuten, greifen Krähen Menschen üblicherweise nur im Mai an, wenn sie Junge haben und unsereins für bösartige Nesträuber halten.

Also habe ich den deutschen Krähen-Papst Josef Reichholf angerufen. Der Doktor-Professor hat sein Heim jahrzehntelang mit diversem Schwarzgefieder geteilt. Und als Galgenvogel-Versteher sagt er: Die Krähe hatte es gar nicht auf mich abgesehen, sondern sie wollte die Mütze befreien. Der Vogel hielt die schwarze Haube für einen Kollegen, den ich, ein Riesenhabicht, in den Fängen hatte.

Meine Mütze mit einem Blinklicht zu versehen, hält der Raben-Professor für nicht erforderlich. Der schlaue Vogel würde den Verwechselungsfehler kein zweites Mal machen. Das ist auf der einen Seite beruhigend. Auf der anderen Seite ist das ein gutes Morgentraining,- vom Krähen-Peloton gejagt zu werden.