Schöne Beine

Man mag unseren Erbsen-Bizeps belächeln. Und das Hühnerbrüstige. Aber nicht unsere Beine. Unsere Beine sind schön. Und ich meine: wirklich schön.

Ich bin mir sicher, hätte es zu Michelangelos Zeiten schon Radsportler gegeben, er hätte einen Modell stehen lassen für seinen David. Zumindest für den Part unten rum.

Diese Waden! Diese Schenkel! Elegant und bis zum Äußersten ausgeformt. Aber nicht sinnlos aufgeblasen. Denn Kraft muss effizient sein, sonst taugt sie nicht. Und Nutzlosigkeit ist nicht schön.

Strecker, Beuger, Musculus soleus,- ein perfektes Zusammenspiel, Warum hat Karl Lagerfeld nie Rennradfahrer auf den Laufsteg gebeten? Es wird sein Geheimnis bleiben.

Die Bodybuilder in der Muckibude belächeln uns Schmächtige. Aber nur, bis sie unsere Beine sehen. Solche hätten sie auch gerne. Haben sie aber nicht. Und werden sie nie bekommen. Da können sie noch so viele Proteinshakes – oder was auch immer – trinken. Ansehnliche Sehnigkeit ist rotierende Beinarbeit.

Ja, Frauen haben mitunter auch schöne Beine. Selbst welche, die nie auf dem Rad gesessen haben. Das ist zweifellos ungerecht. Zumal unseren wohlgeformten Gliedmaßen schon nach vier Wochen Trainingspause gewöhnlich zu werden drohen. Dann sind unsere Beine zwar immer noch schöner als die der Muckimänner, aber Michelangelo würde möglicherweise jemand anderes Modell stehen lassen.

Und das hat etwas Tragisches, beinahe Altgriechisches: Wir treten auf und ab – und doch werden wir nie in Marmor gehauen.