Grüßen – oder nicht grüßen

Es gibt Radfahrerkollegen, die heben grundsätzlich die Hand, wenn ihnen jemand entgegenkommt. Andere grüßen dagegen aus Prinzip nicht. Selbst die nicht, die sie seit Jahren überholen. Ich finde beide Verhaltensweisen bedenklich.

Die Dauergrüßer sind mir tendenziell zu menschenfreundlich. Schließlich wissen wir alle, was für Arschlöcher so unterwegs sind. Da sollte man sich eine gesunde Grundskepsis bewahren, meine ich. Zumal unterscheidungslose Freundlichkeit die Sache im Zweifel nur verschlimmert. Denn grüßt man alle entgegenkommenden Rennradfahrer, könnten sich die nicht beachteten Mountainbiker diskriminiert fühlen. Und die Wochenendausflügler. Und die Täuscher auf den E-Bikes. Will man die alle grüßen? Ich nicht.

Auf der anderen Seite ist der Misanthrop eher von einsamer Natur – auch der auf dem Rad. Nicht ohne Grund dreht der Nicht-Grüßer meist allein seine Runden. Weil auch ihn keiner grüßen will, geschweige denn mit ihm mitfahren. Und immer allein ist doof.

Man könnte so tun als ob. Ein angetäuschter Gruß gewissermaßen. Ein leichtes Nicken, das aber auch ein nervöses Zucken sein könnte. Da hätte man guten Willen bewiesen, könnte sich aber noch auf das Feld des Missverständnisses zurückziehen, sollte sich der Zugenickte als Widerling erweisen.

Oder man wartet den Gruß der Gegenseite ab, um diesen dann – in gebotener Zurückhaltung – zu erwidern. Allerdings erwartet die Gegenseite häufig ebenfalls ein Zeichen der Kontaktbereitschaft. Und dann gucken sich beide an wie bei „Zwölf Uhr mittags“. Mit dem Unterschied, dass bei den Radfahrern nicht der gewinnt, der zuerst zieht.

Ein weiterer Unterschied: im Wilden Westen liegt nach dem Duell einer tot im Staub. Die Rennradfahrer bleiben dagegen beide im Sattel. Nicht, dass ich das bedauern würde. Aber so ein bisschen mehr finale Entscheidung hätte auch was für sich. Denn so ist das doch irgendwie unbefriedigend, wenn beide einfach weiterfahren – und keiner weiß, wer nun das Arschloch ist.