Zu viel Zeit

Wieviel Zeit man im Sattel verbringt, merkt man erst, wenn man es nicht mehr tut. Weil die Erkältung einen schwächt oder man auf den Klempner wartet. Dann sitzt man da am Küchentisch und überlegt, um welche Kurve man gerade fahren würde, wäre man nicht so schlapp oder der Klempner schon wieder weg. So vergeht die Zeit. Ohne Treten und Bremsen. Und wie man so auf der Stelle sitzt, dort am Küchentisch, da fällt einem auf, wie lang so eine Stunde eigentlich dauert. Und erst recht zwei.

Also geht man in die Kammer und guckt nach, ob noch genügend Waschmittel da ist. Ja, ist es. Schade, sonst hätte man „Waschmittel“ auf den Einkaufszettel schreiben können. An Reis mangelt es auch nicht. Immerhin: die Äpfel gehen zur Neige. Aber dann sitzt man doch wieder in der Küche am Tisch.

Man könnte einmal durchsaugen. Oder wenigstens den alten Koffer runtertragen in den Keller. Stattdessen starrt man nach draußen. Auf die sonnige Straße. Perfektes Wetter für eine Runde. Viktor ist sicher schon unterwegs. Aber so ein Ruhetag ist ja auch mal gut, redet man sich ein.

So viel Zeit. Beunruhigend viel. Man stelle sich vor, man wacht eines Morgens auf und hat keinen Gleichgewichtssinn mehr und fällt immer um, wenn man aufs Rad steigt, mal nach links, mal nach rechts. Was sollte man da machen, mit all der vielen freien Zeit?

Klar, man könnte sich ein Spinningrad kaufen, das kann nicht umfallen. Aber immer auf der Stelle treten? Da kann man sich auch gleich an den Küchentisch setzen. Nur, was sollte man in Herrgottsnamen auf den Einkaufszettel schreiben?

Der Tod am Rand

Ich liebe Mallorca. Das Licht, die Luft, die Kreisverkehre,- alles ist so geschmeidig und mediterran. Wären da nur nicht die vielen Toten. Überall liegen sie rum. Manche noch leuchtend rot. Andere sind schon verblasst und angefressen. Hunde, Katzen, Kaninchen, Eichelhäre. Tiere, die es nicht geschafft haben über die Straße, oder die zu tief geflogen sind und deshalb unter die Räder gekommen sind.

Nicht unter unsere. Wir wären wohl noch rechtzeitig ausgewichen. Die Autofahrer tun das nicht. Vielleicht können sie es nicht bei Tempo 100. Vielleicht sind ihnen die streunenden Hunde und Katzen und die unvorsichtigen Kaninchen und Eichelhäre auch egal. Es gibt so viele von ihnen und man fährt so schnell an ihnen vorbei und über sie hinweg.

Mir sind die toten Tiere nicht egal. Mich schockieren sie immer wieder auf’s Neue. Auch weil sie mir ohne Vorwarnung ins Blickfeld geraten. Weil wir immer nach unten schauen auf den Asphalt. Und plötzlich starrt einen ein verblasstes Auge an. Das ist ein hässlicher Anblick. Ein Anblick des Todes.

Manchmal liegen die Tiere da, als schliefen sie. So friedlich und noch nicht zerklumpt. Offensichtlich sind sie nur angefahren worden und erst am Rand der Straße verendet. Aber in einigen Tagen werden sie platt gefahren sein und dann kann man sie kaum noch unterscheiden von den braunen Erdfladen, die den Bauern aus den Treckerreifen fallen.

Schmutz. Am Ende sind die toten Tiere nur noch Schmutz. Und das hat kein Tier verdient, so tot es auch immer sein mag.

Mach‘ dein Ding – die Fahrradstadt Berlin wird hip

Dass Berlin Trends setzt und Kreative anzieht, ist bekannt. Aber Berlin ist nicht nur hip in Sachen Mode und Start ups, sondern auch auf dem Fahrrad. In der Hauptstadt gibt es viele Tüftler und Bastler und Leute, die aus ihrer Zweirad-Leidenschaft einen Stil machen. Berlin goes Bicycle.

 

 

Go Vegan

Man fährt mit dem Rennrad ja doch ziemlich schnell durch die Lande. Deshalb hätte ich den Schriftzug fast überlesen. Aber ich habe dann nochmal nach hinten geguckt: EDUCATE YOURSELF stand da blutrot auf dem Asphalt.

Dagegen kann man ja nichts sagen, dass sich die Leute fortbilden und sich ein wenig selbst erziehen. Vielleicht lernen sie dabei gute Manieren und sagen künftig „danke“ und „bitte“. So dachte ich vor mich hin, als ich die nächste Straßen-Werbung erblickte, die eher eine Warnung zu sein schien: WATCH EARTHGLINGS.

Auf Erdlinge sollte ich also Acht geben. Oder sollte ich nach welchen Ausschau halten? War ich vielleicht in eine Schnitzeljagd von RTL II geraten und ich würde tausend Euro kassieren, wenn ich im Ziel „Echt krass!“ sagte? Fragen über Fragen. Dabei wollte ich nur eine Runde mit dem Rad drehen und keine aufgemalten Asphalt-Botschaften dechiffrieren.

Die nächsten beiden Wörter waren kurz: GO VEGAN. Da ahnte ich: es geht um Belehrung: Kein Fleisch essen und statt echter Milch nur noch welche aus Soja trinken. Deshalb hatten unbekannte Veganer die Königsstraße bepinselt, wohl wissend, dass da täglich hunderte Radler, Skater und Läufer längs kommen. Die Trainingsstrecke als Appellplatz, – wie anstrengend.

EDUCATTE YOURSELF, WATCH EARTHLINGS, GO VEAGN. Mir wären da schon einige Gegenargumente und Slogans eingefallen. Aber Agitation schmeckt mit Fleisch auch nicht besser.

 

 

Zypern – eine Rennradinsel für die Götter

Zypern ist bekannt für seine antiken Stätten und seine gut 300 Sonnentage im Jahr. Aber die Insel im südöstlichen Mittelmeer bietet sich nicht nur für Strandurlauber und Hobby-Archäologen an, sondern auch für Rennradfahrer. Kaum befahrene Straßen, eine abwechslungsreiche Landschaft und Temperaturen, die bereits im Februar um die 20 Grad liegen,- das sind ideale Bedingungen für ein frühes Trainingslager im Jahr.

Botox für die Birne – wenn Hobbysportler sich selbst optimieren

Besser werden,- das ist eine Grundidee des Sports: Höher, schneller, weiter. Aber nicht nur Profis streben nach Bestzeiten, auch Hobby-Sportler gehen auf Rekordjagd und lassen sich dabei wie die Cracks coachen. Personal-Training, Bike-Fitting, der individuelle Ernährungsplan,- immer mehr Freizeitaktive zahlen für die Selbstoptimierung. Das freut die Sport-Dienstleister, und die Sport-Soziologen erkennen einen Trend: die Ego-Perfektion wird gesellschaftsfähig.

Sportmarke Berlin – die Hauptstadt vermarktet sich aktiv

Berlin ist bekannt für seine Clubs und seine Kultur. Museen, Theater, Galerien, Durchfeiern im Berghain,- Zigtausende Touristen kommen deshalb in die Stadt. Aber Berlin wird auch sportlich immer attraktiver. Die Industrie inszeniert ihre Freizeitprodukte vor der hippen Hauptstadtkulisse, und Europameisterschaften finden mitten in der City statt. Die Sportmarke Berlin – ein Label zwischen Marketing und Mehrzweckhalle.

Bicycle goes hightech – wenn Ingenieure am Rad drehen

Die Eurobike in Friedrichshafen ist eine Trendmesse. Wer wissen will, wohin das Fahrrad in der nächsten Saison rollt, der kann sich das am Bodensee anschauen. Ich habe die Eurobike 2017 besucht und zwei Entwicklungen festgestellt: Rennräder werden immer unterschiedlicher. Und immer öfter sind Ingenieure an der Entwicklung des ehedem so einfachen Gefährts beteiligt. Bicycle goes Hightech.

100 Sekunden Leben

Maximilian Schachmann

Foto: Bora-hansgrohe

Maximilian Schachmann stieg in den italienischen Alpen zum deutschen Hoffnungsträger auf. Beim Giro d’Italia 2018 gewann der Berliner die schwere Bergetappe am Prato Nevoso. Dabei galt Schachmann bis dahin als Zeitfahrspezialist. Offensichtlich verfügt der 1er-Abiturient über Allrounder-Qualitäten. Denn er kann auch leiden: Seinen Giro-Etappensieg fuhr er trotz eines Infekts ein.

Ich traf Maximilian Schachmann eine Woche nach der Italien-Rundfahrt 2018. Er kam gerade vom Arzt. Der Infekt machte ihm immer noch zu schaffen.

Simon Geschke

Foto: Chris Auld

Simon Geschke ist eine der zuverlässigsten Zugmaschinen im Peloton. Seit 2008 fährt der gebürtige Berliner und Wahl-Freiburger Lücken zu und den Mannschaftskapitän wieder ran ans Feld. Aber Geschke kann mehr als nur kräftig in die Pedale treten. Als Capitaine du Route lenkt er das Team und gibt taktische Anweisungen. Ein wichtiger Mann der zweiten Reihe. Bei der Tour de France 2015 stand Geschke dann plötzlich im Rampenlicht, als er die schwere Bergetappe nach Pra-Loup gewann und seinen Tränen freien Lauf ließ.

Ich traf Simon Geschke im Juni 2017 in seiner Freiburger Wohnung, aus der man einen schönen Blick auf die Stadt und auf den Schwarzwald hat. Richtung Schwarzwald ging es für den damaligen Sunweb-Profi nach unserem Gespräch. Intervalle bolzen für die bevorstehende Tour de France.